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„Für einen Rechtsanwalt ist es unverständlich, was hier passiert”
Justiz

„Für einen Rechtsanwalt ist es unverständlich, was hier passiert”

(Symbolfoto)

Der Bundesgerichtshof sieht Fluchtgefahr durch Todesfasten bestätigt und will Maximilian Eder in der Justizvollzugsanstalt zwangsernähren. paul brandenburg: schwarz auf weiß sprach mit Rechtsanwalt Ralf Dalla Fini, der den ehemaligen Oberst verteidigt.

Oberst a. D. Maximilian Eder befindet sich in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Landshut und wurde vor über einer Woche in eine Klinik gebracht, da der ehemalige Oberst im Generalstab keine Nahrung mehr zu sich nimmt und auch keine Flüssigkeit trinkt, sondern nur seinen Mund mit Wasser ausspült, das er dann ausspuckt. Er hat außerdem eine Patientenverfügung abgegeben, dass er alle lebenserhaltenden Maßnahmen ablehnt. Alle Beiträge finden Sie hier.

pb: schwarz auf weiß: Inzwischen haben sich die Ereignisse überschlagen. Wie ist der Sachstand?

Ralf Dalla Fini: Vorweg möchte ich sagen, dass ich die Auffassung vertrete, dass Verfahren vor Gericht verhandelt werden sollten. Aber bei rechtsstaatswidrigem Handeln der Gerichte müssen wir die Öffentlichkeit miteinbeziehen, damit diese weiß, was hier passiert.

Was ist seit unserem letzten Gespräch geschehen? Aber zuerst noch, befindet sich Oberst a. D. Maximilian Eder derzeit in der Klinik?

Ja, er ist noch immer in der Klinik. Er ist durch das lange Sterbefasten abgemagert und in einem schlechten Gesundheitszustand.

Zum Sachstand muss ich etwas ausholen. Am Montag, dem 24. April, hatte die Bundesrichterin ja entschieden, dass der Haftbefehl aufrecht und in Vollzug bleibt. Daraufhin reichte ich am 27. April einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht auf Aussetzung des Vollzugs der Untersuchungshaft ein.

Ziel war, die Vollstreckung der Untersuchungshaft auszusetzen, bis über eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde entschieden ist. Denn wenn für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben droht, ist ein solcher Antrag beim Bundesverfassungsgericht auch vor einer abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs über diese Rechtsfrage möglich.

Generell können vor dem Bundesverfassungsgericht nur Grundrechtsverletzungen der Gerichte, also hier des Bundesgerichtshofs, gegenüber dem Beschuldigten gerügt werden.

Wie haben Sie das begründet?

Der Bundesgerichtshof stellt sich auf den Standpunkt, dass die Fluchtgefahr von Eder darin liegt, dass er sich das Leben neben will. Dass er also durch den Tod verhindern will, dass er sich einem Strafprozess stellen muss.

Der Bundesgerichtshof hätte prüfen müssen, ob der weitere Vollzug der U-Haft unverhältnismäßig ist. Und ob die Sicherung des zukünftigen Strafverfahrens mit milderen Mitteln zu erreichen ist – zum Beispiel die Freilassung unter Auflagen, wie täglichem Melden, Fußfessel, Abgabe des Reisepasses und so weiter. Stattdessen kam der Bundesgerichtshof zu dem Schluss, dass Eder in der Justizvollzugsanstalt verbleiben muss und zwangsernährt werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat dabei nicht berücksichtigt, dass mein Mandant im Zustand der freien Willensbestimmung eine Patientenverfügung erlassen hat. Eder wusste, was er tat. Doch der Bundesgerichtshof scheint anderer Auffassung zu sein. Und stützt sich dabei auf eine beiläufige Aussage einer Psychiaterin, die nur einmal mit Herrn Eder in der Sache kurz gesprochen hat. Das hat mir mein Mandant selbst berichtet. Sie soll etwa fünf Minuten lang mit ihm gesprochen haben. Und danach sei sie zu dem Schluss gekommen, er habe die Patientenverfügung nicht eigenverantwortlich abgegeben.

Es gibt aber noch ein ausführliches Gutachten. Wer hat das in Auftrag gegeben?

Ich nehme an, der Chefarzt und die Oberärztin des Klinikums haben dieses ausführliche Gutachten eigenverantwortlich erstellt, weil es hier um ganz schwerwiegende Eingriffe geht. Soweit ich weiß, gab es keinen Auftrag des Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts. Wenn ein Patient in so einer Klinik untergebracht ist, gehört es zum Standard, dass die Ärzte dokumentieren, zu welchem Ergebnis sie kommen.

Dieses ausführliche Gutachten habe ich von der Justizvollzugsanstalt Landshut bekommen. Was für die Zuverlässigkeit dieser Anstalt spricht. Und dafür, dass diese rechtmäßig handelt und auch die gesundheitliche Situation des Untersuchungshäftlings im Blick hat. Die haben sich vorbildlich verhalten.

Inzwischen haben Sie als Verteidiger das ausführliche, fünfseitige Gutachten sowohl dem Bundesgerichtshof als auch dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Mit welchem Resultat?

Zur Klarstellung möchte ich darauf hinweisen, dass zwei Rechtsfragen anhängig waren. Zum einen, ob Herr Eder aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Und zum anderen, ob er zwangsernährt werden darf – beides beim Bundesverfassungsgericht. Wir haben uns also vor Erschöpfung des Rechtsweges an das Bundesverfassungsgericht gewandt.

Außerdem haben wir im Hinblick auf das Verfahren wegen Zwangsernährung auch noch beim Bundesgerichtshof Rechtsmittel eingelegt, was parallel zum dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht möglich ist. Daher ist dieser Fall so kompliziert.

Jedenfalls kommen laut Gutachten der Klinik die Fachärzte zu dem Schluss, dass Maximilian Eder am 12. April, als er die Patientenverfügung verfasst hat, geschäftsfähig war.

Aber am Freitagabend, dem 28. April, hat der Bundesgerichtshof im Rahmen meines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss, wonach Eder zwangsweise Nahrung und Flüssigkeit zugeführt werden kann, erklärt, dass die fachpsychiatrische Stellungnahme der Gutachter der Klinik „die Zweifel des Bundesgerichtshofes an einem ernstlichen, von Eigenverantwortung getragenen Sterbewunsch nicht zu erschüttern vermögen“.

Das ist der einzige Satz, mit dem der Bundesgerichtshof dieses fünfseitige Gutachten wegwischt.

Ich empfinde ein solches Verhalten als rechtsstaatswidrig. Der Bundesgerichtshof ist das höchste Gericht in Straf- und Zivilsachen. Vom höchsten deutschen Gericht muss man erwarten können, dass es eine intensive Überprüfung von Sachverhalten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durchführt. Und dass es einen Menschen, der dieses Gericht anruft, um seine Angelegenheiten überprüfen zu lassen, nicht mit kurzen oberflächlichen Floskeln abspeist. Dasselbe gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, aber dazu später.

Dies zeigt, dass sich der Bundesgerichtshof mit dem Gutachten gar nicht befasst hat und offensichtlich den Inhalt durch eigene Sachkunde ersetzt. Ob das wohl Juristen oder ein Chefarzt und eine Oberärztin besser können? Letztere kennen Herrn Eder bereits seit Einlieferung in die Klinik, wohingegen der Bundesgerichtshof lediglich bei der ersten Vorführung meines Mandanten und beim Haftprüfungstermin mit ihm Kontakt hatte.

Ergibt sich daraus nicht, dass Eder eigentlich haftunfähig ist – wenn man der Schlussfolgerung des Bundesgerichtshofs folgt, dass sein geistiger Zustand für die Gültigkeit der Patientenverfügung nicht ausreichte?

Anstatt eine Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr durch Zwang durchzusetzen, hätte der Bundesgerichtshof überprüfen müssen, ob dieser Mann nicht aufgrund einer Haftunfähigkeit aus der Haft zu erlassen ist. Denn Eder leidet massiv unter der Untersuchungshaft. Er kann diese nicht ertragen, er ist verzweifelt. Und er leidet stark unter dieser Situation.

Die Gerichte müssen sich fragen lassen, ob es einen menschenwürdigen Umgang darstellt, einen solchen Menschen weiter leiden zu lassen und eben durch Zwang am Leben zu erhalten. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es hier für den Staat darum geht, dass er sich nicht nötigen lässt. Es geht dem Staat nicht um die sachgerechte Aufarbeitung der Sache. Das kann nicht die ordnungsgemäße Aufgabe eines Gerichts sein.

Was ist denn die ordnungsgemäße Aufgabe eines Gerichts?

Maximilian Eder befindet sich in Untersuchungshaft. Es gilt also die Unschuldsvermutung. Und so einen Menschen hält man zwangsweise in einer Umgebung und gegen seinen Wunsch am Leben? Ich befürchte, dass der ehemalige Oberst massive psychische und physische Schäden davonträgt. Ein Mensch, der selbstbestimmt sterben möchte, weil er das Leben im Gefängnis nicht erträgt, soll dort belassen und zwangsweise ernährt werden?

Maximilian Eder wird damit zum Objekt staatlichen Handelns degradiert, nur um ein Strafverfahren gegen ihn durchzuführen. Obwohl man ihn gegen Auflagen rauslassen kann – seine Bereitschaft sich dem Strafverfahren zu stellen, hat er als Offizier mit einem Ehreneid bekundet. Ein solcher Eid hat für Offiziere eine außergewöhnlich hohe Bedeutung, mit der Folge, dass sie sich daran halten.

Außerdem wie soll so ein schwerkranker und abgemagerter Mann noch fliehen? Für mich als Rechtsanwalt ist es unverständlich, was hier passiert.

Ein Gericht muss bei seinen Entscheidungen darüber, wie es mit Menschen umgeht, immer die Würde des Menschen im Blick haben. Das Gericht muss die Grundrechte im Blick haben. Das ist die vornehmste Aufgabe eines Rechtsstaates.

Und jeder noch so geringsten Erosion unserer Grundrechte muss im Interesse der Bürger in Deutschland mit allen zulässigen rechtsstaatlichen Mitteln entschieden begegnet werden.

Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.

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