ressorts.
„Die Bevölkerung glaubt den Kriegslügen nicht mehr“
Friedensbewegung

„Die Bevölkerung glaubt den Kriegslügen nicht mehr“

MdB Andrej Hunko

„Gegen den Kriegswahnsinn“ war das Motto einer Kundgebung des Friedensbündnis NRW am Samstag in Düsseldorf mit dem Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. Mit ihm sprach Hannes Henkelmann über den Ukraine-Krieg, ein Umfragetief und eine ominöse Fahne.

Die Eskalationsspirale dreht sich immer schneller. Die Lieferung von Kampfjets wird offen diskutiert. Mit „Air Defender 2023“ läuft gerade die größte Luftoperationsübung seit Bestehen der Nato. Wie können wir diesen Wahnsinn stoppen?

Es ist wichtig zu erkennen, dass hier immer weiter eskaliert wird. Ich wünsche mir, dass die Bevölkerung die Lügen nicht mehr glaubt, dass sich damit die Stimmung dreht und auch mehr Menschen auf die Straße gehen, um Druck auf die Regierung auszuüben. Nur in den Nato-Staaten wird propagiert, dass man diesen Krieg immer weiter führen müsse. In allen anderen Ländern wird das sowohl von der Bevölkerung als auch von den Regierungen ganz anders gesehen. Sie wollen Deeskalation, Verhandlungen und Frieden. Das macht mir Mut.

Sie engagieren sich sehr in der Friedensbewegung und müssen Ihre Worte sorgfältig abwägen. Stichwort: Verharmlosung des russischen Angriffskrieges. Zudem müssen Sie aufpassen, mit wem Sie sich das Mikrofon teilen. Stichwort: Kontaktschuld. Zusätzlich ernten Sie Kritik aus den eigenen Reihen. Dennoch sind Sie so aktiv. Woher nehmen Sie das Durchhaltevermögen?

Zum einen bin ich davon überzeugt, dass ich das Richtige mache. Es ist wichtig, hier eine andere Sichtweise deutlich zu machen. Natürlich ist es nicht schön, von Leuten diffamiert zu werden, die sich selbst als links bezeichnen, es aber aus meiner Sicht nicht sind. Zudem möchte ich an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erinnern, die für ihre Überzeugungen mit Gefängnis und letztendlich mit dem Tod bezahlt haben. Die Geschichte hat ihnen später recht gegeben, und ich glaube, dass wird hier auch so sein.

Die AfD ist im umfragehoch. Die Grünen schmieren zu Recht ab, warum dümpelt die Partei Die Linke bei fünf Prozent vor sich hin und schafft es nicht, sich als Oppositionspartei zu profilieren, obwohl die Bundesregierung so viel Angriffsfläche bietet?

Die Linke hat in den letzten Jahren leider Schritt für Schritt ihre Oppositionsfähigkeit verloren. Das fing schon während der Corona-Krise an und hat sich jetzt während des Ukraine-Krieges noch weiter beschleunigt. Man möchte vom Establishment, von den anderen Parteien und den Medien angenommen werden, statt unbequeme Dinge anzusprechen – wie damals unten Oskar Lafontaine, als wir bei zwölf Prozent standen. Diese Fähigkeit hat die Linke in den letzten Jahren verloren. Und in dieses Vakuum dringt die AfD immer weiter ein. Und das ist der Grund für ihren Höhenflug. Zwei Drittel der potentiellen AfD-Wähler sehen sich eher als Protestwähler. Diese Gruppe muss die Linkspartei auch wieder erreichen.

Warum unterstützen denn große Teile der Linkspartei mit Blick auf die Ukraine das Narrativ der Bundesregierung und blenden den Regime Change von 2014 aus? Warum stimmen sie für Waffenexporte und die selbstzerstörerischen Wirtschaftssanktionen?

Waffenlieferungen lehnt die Linkspartei formal immer noch ab, allerdings hat sich die Parteispitze für Wirtschaftssanktionen gegen Russland ausgesprochen, obwohl in unserem Bundestagswahlprogramm, das für mich bindend ist, Sanktionen ausgeschlossen werden und dort sogar als völkerrechtswidrig bezeichnet werden. 

Die Frage nach dem Warum habe ich eben bereits beantwortet. Viele Genossen passen sich zu sehr an, haben nicht mehr den Willen, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und sich damit der Kritik auszusetzen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Kollegen aus der Bundestagsfraktion, die, wie ich, international arbeiten. Wir stehen absolut auf der Basis des Wahlprogramms. Wir sind gegen Wirtschaftssanktionen, Waffenlieferungen und wir wissen auch, was 2014 in Kiew passiert ist. Zu nennen wären unter anderen: Sarah Wagenknecht, Sevim Dağdelen, Zaklin Nastic …

Da muss ich kurz nachhaken. Die Hamburger Linke hat Strafanzeige gegen ihre eigene Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic gestellt. Ein einmaliger Vorgang. Der Wähler muss doch den Eindruck haben, dass die Partei sich selbst zerlegt. Wie bewerten Sie die Situation?

Ich interpretiere das politisch als den Versuch, unbequeme Leute, die sich dem Anpassungskurs verweigern, aus der Partei zu drängen. 

Hat sich der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius noch mal zu Ihrer Frage gemeldet? Sie hatten ihn ja mit einem Tweet des ukrainischen Verteidigungsministeriums konfrontiert, der einen Leopard-Panzer der ukrainischen Armee mit einer schwarzroten Fahne zeigte.

Zur Erklärung. Es handelt sich um eine Fahne der ukrainischen Nationalisten der 1940er Jahre, Anhänger von Bandera, der mit den Nazis kollaboriert hat. Und das Bild vom Leopard-Panzer und der Fahne ist offiziell vom Verteidigungsministerium der Ukraine getwittert worden. Herrn Pistorius war das nicht bekannt. Einige Tage nach der Debatte bekam ich ein Schreiben von ihm, in dem er mitteilen ließ, dass dieser Panzer nicht aus Deutschland geliefert worden wäre. Ich gewinne so natürlich den Eindruck, dass man die Sache nicht ernst nimmt, man eine Ausrede gesucht hat, der Panzer sei zum Beispiel über Polen in die Ukraine geliefert worden. So wird die eigentliche Frage nicht beantwortet und der Skandal ignoriert.

Diesen Artikel teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram

schwarz auf weiß unterstützen

Freiwilliges Zeitungs-Abo oder Einzelspende an:

IBAN: DE83 1005 0000 0191 2112 65
(BIC: BELADEBE)

Kontoinhaber: Flugwerk UG (haftungsbeschränkt)

oder hier PayPal –

Ein Abo ist freiwillig. Alle Inhalte sind ohne Bezahlung verfügbar.

ODER
alles von Paul Brandenburg

Spenden an Paul Brandenburg persönlich werden für alle seine Projekte verwendet: