ressorts.
Wehret den Anfängen!
Zeitgeist

Wehret den Anfängen!

Wahlen in Deutschland

Foto: Pixabay/Michael Schwarzenberger

Ich habe 1970 in Westberlin das Licht der Welt erblickt. Meine Eltern haben sehr früh damit begonnen, mich auf „Wehret den Anfängen!“ einzuschwören. Aber was das eigentlich? Ein Gastbeitrag von Martin Adam

Meine Mutter hat mir als Kind schon das „Tagebuch der Anne Frank“ und „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ vorgelesen. In meinem sehr sozialdemokratischen Zuhause haben wir viel über das Dritte Reich und die Rolle Deutschlands in der Zeit von 1933 bis 1945 gesprochen. Auch in der Schule habe ich mich im Prinzip jedes Jahr auf die eine oder andere Art mit dem Thema beschäftigen dürfen. Unserem amerikanischen Austauschschüler, mit dem ich ein Jahr mein Zimmer teilen durfte, haben wir die Geschichte vermittelt und haben historische Orte besucht, um auch visuell die Geschichte zu erleben. Mit meinem Onkel Reiner, ruhe in Frieden, habe ich sehr kontrovers über die Frage der Schuld und im Speziellen meiner persönlichen Schuld als ein 1970 geborener deutscher Staatsbürger diskutiert.

Etwas wie damals darf nicht wieder vorkommen! Um es zu vermeiden, haben wir als Bürger des Landes die Pflicht, unsere Augen offen zu halten und zu schauen, dass das Böse keine Wurzeln schlagen kann. Natürlich war ich somit zeit meines Lebens sensibilisiert. Aber worauf? Und genau hier beginnt das Problem! Bis vor ein paar Jahren richtete sich mein Fokus ausschließlich auf den „rechten Rand der Gesellschaft“. Parteien wie die NPD, die Republikaner, die Schill-Partei, die AfD und Gruppierungen wie Pegida waren in meinem Gehirn in der Wehret-den-Anfängen-Schublade abgelegt. Als fleißiger Tagesschauseher und Tagesspiegelleser musste ich nicht viel suchen. Die Feindbilder wurden mir auf dem Silbertablett präsentiert. Ansonsten war diese Schublade leer.

Aber hatte ich Angst, dass aus dieser Richtung ein neuer Siegeszug der Rechten entstehen könnte? Nein, denn mit dem rechten Auge konnte der Bundesbürger gut sehen und alles, was aus der Richtung kam, wurde gnadenlos niedergemacht. Bravo Deutschland! Wir würden nicht wieder dem rechten Mob auf den Leim gehen.

Auch als ich das Buch „Die Welle“ gelesen habe, das anders als der Film in Amerika spielt, war ich mir sicher, dass das deutsche Volk nicht wieder auf derartige Propaganda hereinfallen könnte. Denn: Wir alle haben in unserem Hirn das „Wehret den Anfängen!“ abgelegt.

Wie sehr ich irrte!

Auch jetzt noch schaue ich nach rechts und beobachte, was dort passiert. Die AfD ist im Aufwind. Sie würde bei einer Bundestagswahl heute mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen, sagen die Umfragen. Zum ersten Mal stellt die AfD einen Landrat. Das Land ist in Aufruhr. Wie konnte das passieren? Gehen wir ein Stück zurück ins Jahr 2020. Das Jahr begann, und die erste Grippewelle mit über 920 unterschiedlichen Virenarten überrollte das Land. Na ja, die Grippesaison schien nicht so schlimm zu werden wie 2017/2018, wo zehntausende Menschen an der Grippe gestorben sein sollen. Aber auch in 2020 sterben Menschen an der Grippe. Das ist bestimmt nicht schön, ist aber anscheinend nicht zu ändern.

Und dann von einem Tag auf den anderen ist die Grippe weg. Gerade noch steigt die Anzahl der täglichen Toten an, und auf einmal stirbt niemand mehr an der Grippe. Dafür sterben plötzlich Menschen an einem „neuartigen Corona-Virus“. Würde man die Toten der Grippe und die Toten von Covid-19 addieren und als Linie darstellen, dann würde man einen klassischen Verlauf wie in jedem Jahr erkennen. Ich will jetzt aber gar nicht weiter die Frage behandeln, ob Covid-19 die Grippe ersetzt hat oder es sich um eine unabhängige Krankheit handelt, sondern die Folgen betrachten, die sich aus der plötzlichen weltweiten „Pandemie“ ergeben haben.

Die Bundesregierung entschloss sich, schwerwiegende Maßnahmen zu ergreifen, um Herr über die Pandemie zu werden. Diese Maßnahmen griffen massiv in die Grundrechte der deutschen Bevölkerung ein. In die Grundrechte, die nach dem Dritten Reich geschaffen wurden, um niemals außer Kraft gesetzt zu werden. Durch nichts! Wären diese Grundrechtseingriffe von kurzer Dauer gewesen und wäre die Bundesregierung auf die vielen offenen Fragen eingegangen, dann hätte die gesamte deutsche Bevölkerung die Maßnahmen ohne großes Federlesen getragen. Aber dem war nicht so.

Und jetzt kommen wir wieder zurück zu „Wehret den Anfängen!“. Ein nicht so kleiner Teil der Bevölkerung, vielleicht 20 Prozent, stellte fest, dass das Vorgehen der Bundesregierung, der Behörden und der Medien nicht in Übereinstimmung mit ihrem Verständnis des deutschen Rechts und der in Deutschland geltenden Wertevorstellungen und Moral übereinstimmte. Sehr schnell formulierten sich Ängste. Doch wo kamen die Ängste her? Nicht von der Pandemie, das ist schon einmal klar.

Nein, es war die Wehret-den-Anfängen-Schublade, die anfing da hinten im Hirn zu rütteln. Doch warum rüttelte die Schublade nur bei einem Teil der Bevölkerung? Warum gerade bei diesen Bürgern?

Ich habe viel darüber nachgedacht und mit anderen Menschen darüber diskutiert. Ich glaube heute, dass dieser Teil der Bevölkerung eine besondere Sensibilität besitzt. Alle Menschen, die plötzlich eine Gefahr für ihre Freiheit sahen und mit denen ich persönlich gesprochen habe, berichteten ähnliche Geschichten aus ihrer Kindheit und Schulzeit. Sie waren nicht die braven Schüler, die alles nachmachten, was der Lehrer sagte. Sie wollten die Dinge verstehen und stellten Fragen. Viele Lehrer waren und sind auch heute noch mit solchen Schülern überfordert.

Es sind aber genau diese Schüler von damals, die auch heute wieder diese Fragen stellen und die Dinge verstehen wollen. Und wenn die Antworten ausbleiben, dann frisst es sie von innen auf. Und dann begann etwas, was genau bei diesen Menschen die Wehret-den-Anfängen-Schublade weit aufriss. „Diese Regeln dürfen nicht hinterfragt werden!“. „Vertrauen Sie den Qualitätsmedien!“.

Und es kam noch schlimmer! Wer diese Regeln und die Qualitätsmedien hinterfragte, wurde angegriffen, diffamiert und sozial ausgeschlossen. Und es kam die rechte Keule. Wer eine andere Meinung vertritt als die Bundesregierung, der kann ja nur vom rechten Rand der Gesellschaft kommen.

Dem deutschen Bürger wurde über 75 Jahre eingeredet, dass die Gefahr nur von der rechten Seite kommen kann. Rechts bedeutet Faschismus, links Antifaschismus.

Aber nun bediente sich die Bundesregierung, die Medien und die Gesellschaft der Werkzeuge des Faschismus. Es gab plötzlich nur noch eine richtige Meinung. Wer anderer Meinung ist, kann nicht Teil der Gesellschaft sein. Die Wissenschaft belegt…! Und so weiter…! Und diese Sprache war nicht nur in der Bevölkerung vertreten, sie wurde von oben gezielt eingesetzt, den Bürgern in den Mund gelegt und von diesen ohne großes Hinterfragen wiedergegeben. Und es endete nicht bei Covid-19, sondern erweiterte sich auf die Situation in der Ukraine und die sogenannte Klimakrise.

Seit 2020 handelt die Bundesregierung in vielen Bereichen verfassungswidrig. Langsam gibt es die ersten wenig beachteten Urteile, die das belegen. Doch die Bundesregierung weiß, dass es immer Jahre braucht, bis die Verfassungskonformität durch das Bundesverfassungsgericht überprüft wird. Bis dahin kann ein neuer Rechtsrahmen entwickelt werden, und es gibt im Prinzip kaum Möglichkeiten der individuellen Gegenwehr.

Es geht um Kontrolle und Überwachung und damit auch um Ausschluss. Wer zukünftig anderer Meinung ist, kann ausgegrenzt werden. Wichtige Kontrollaufgaben werden an internationale Organisationen übertragen, die hauptsächlich durch private Gelder finanziert sind.

Ich für meinen Teil habe eine große Angst, dass wir am Ende zu einer Welt kommen, in der ich mich frei bewegen kann, solange ich der Meinung und den Anweisungen der Regierung oder Weltorganisation folge. Tue ich das nicht, wird man mich so lange unter Druck setzen, bis ich „freiwillig“ zustimme.

Meine Wehret-den-Anfängen-Schublade ist weit geöffnet. Aktuell kommt die Gefahr von einer ideologisch getriebenen Elite, die glaubt, alles besser zu wissen. Sie ist nicht links oder rechts verortet, sie hängt am Kapital.

Interessanterweise treiben sie immer mehr Menschen in die Arme des rechten Rands der Gesellschaft. Nicht inhaltlich, sondern weil es wenig Alternativen zur aktuellen Politik gibt, über die viele Bundesbürger verärgert sind. Und wenn wir nicht aufpassen, gewinnt am Ende doch wieder der rechte Rand, weil die andere Seite ihn erstarken lässt. Das liegt aber nicht an einem gesellschaftlichen Rechtsruck, sondern an einer fatalen und undemokratischen Politik der anderen Parteien. Ich muss die AfD nicht mögen (und ich tue es auch nicht!), aber der Umgang mit der AfD ist nicht demokratisch. Es gibt keine Belege, dass diese Partei gegen deutsche Gesetze verstößt. Und solange sie das nicht tut, hat sie das Recht, am demokratischen Prozess teilzunehmen. Und wenn die Bürger sie dann wählen, dann liegt das nicht an der AfD, sondern an den anderen Parteien, die den Pfad der Demokratie schon lange verlassen haben.

Mein ehrliches Fazit: Wir sind schon an „Wehret den Anfängen!“ vorbei. Wir sind mittendrin in der Umformung des Gesellschaftssystems, und die Gefahr ist groß, dass wir uns morgen in einer Welt wiederfinden, in der ein paar Wenige über unser Wohl entscheiden. Wir dürfen teilnehmen, aber nicht stören.

Diesen Artikel teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram

schwarz auf weiß unterstützen

Freiwilliges Zeitungs-Abo oder Einzelspende an:

IBAN: DE83 1005 0000 0191 2112 65
(BIC: BELADEBE)

Kontoinhaber: Flugwerk UG (haftungsbeschränkt)

oder hier PayPal –

Ein Abo ist freiwillig. Alle Inhalte sind ohne Bezahlung verfügbar.

ODER
alles von Paul Brandenburg

Spenden an Paul Brandenburg persönlich werden für alle seine Projekte verwendet: