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Westliche Eskalationsoptionen
Ukraine-Krieg

Westliche Eskalationsoptionen

Symbolbild

Die ukrainische Offensive steckt fest. Die USA haben nun die Wahl zwischen realistischen Verhandlungen und weiterer Eskalation des Konfliktes. Dafür haben sie mehrere Möglichkeiten.

Die monatelang angekündigte ukrainische Offensive läuft seit dem 4. Juni und hat bislang nichts erreicht. Stattdessen hat Kiew Tausende Soldaten und Hunderte gepanzerte Fahrzeuge verloren, darunter einen erheblichen Teil der zuletzt gelieferten westlichen Panzer.

Der militärisch versierte Blogger Big Serge, dessen Einschätzungen in den letzten Monaten oft treffend waren, schrieb am 16. Juni auf Twitter: „Ich denke, eine der großen Überraschungen der bisherigen ukrainischen Gegenoffensive war, wie aggressiv Russland die Grauzone bekämpft hat – es hat weit vor seinen Hauptbefestigungen Minenfelder angelegt und konsequent Gegenangriffe durchgeführt. Dies ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass die Ukraine viele Fahrzeuge verliert, die sich noch in ihren Anmarschkolonnen befinden. Offensichtlich hatte die ukrainische Armee nicht damit gerechnet, dass die Abschirmungslinie so hart kämpfen würde. Fairerweise muss ich sagen, dass ich es auch nicht getan habe. Somit finden alle Kämpfe meilenweit nördlich von dort statt, wo wir sie erwartet hatten.“

Rückzug der USA?

Angesichts dieser Situation schwankt der westliche pro-Nato-Mainstream zwischen aufkommender Verzweiflung und Durchhalteparolen. In den führenden Zirkeln der USA wird offenkundig über einen Ausstieg aus dem „ukrainischen Abenteuer“ diskutiert. Ein Papier der Rand Corporation hatte das bereits im Januar 2023 angeregt. Der mediale Versuch, der Ukraine die Sprengung der Nordstream-Pipeline anzulasten, ist ein erstes Indiz in diese Richtung. Die extremistischen Neokonservativen (Neocons) in der US-Regierung – Anthony Blinken, Viktoria Nuland, Jake Sullivan & Co. – dürften sich aber noch dagegen wehren.

Wie sollte man einen Rückzug auch politisch verkaufen? Die USA könnten als Erfolg verbuchen, dass man zu eigenen Gunsten die EU ökonomisch geschwächt hat: Verkauf von US-Fracking-Gas, Abwanderung europäischer Industrie über den Atlantik undsoweiter. Und die europäischen Staaten wurden politisch völlig unterworfen. Außerdem könnte man behaupten, dass der Krieg immerhin auch Russland Ressourcen gekostet hat.

Dagegen stehen aber gewichtige andere Faktoren: Durch die Konfrontation wurde die globale Hegemonie der USA deutlich geschwächt. Der Großteil der Welt hat die von den USA verordneten Sanktionen verweigert. Das Brics-Bündnis nimmt an Fahrt auf, der Dollar als Weltreservewährung wurde massiv geschwächt, immer weniger Staaten tanzen nach Washingtons Pfeife. Und in der Ukraine wurde der Welt aufgezeigt, dass den Vorhaben des US-Imperiums Grenzen gesetzt werden können.

Eskalationsmöglichkeiten

Diese negative Bilanz wollen die Neocons nicht ziehen müssen. Um das zu verhindern, bleibt ihnen nur eine weitere Eskalation in der Ukraine. Zahllose weitere Tote in der Ukraine und anderen europäischen Ländern mögen ihnen egal sein, aber sie haben bezüglich Zuspitzung auch andere Probleme: Erstens ist nicht klar, ob sie das durchbekommen, und zweitens bietet jede Eskalationsoption auch Risiken.

Eine Möglichkeit wäre die weitere Aufrüstung der Ukraine mit modernen westlichen Waffen. Aktuell diskutiert werden etwa die ballistischen Kurzstreckenraketen ATACM oder die F-16-Kampfflugzeuge. Allerdings dauert es, bis diese Dinge real von Ukrainern eingesetzt werden können. Keineswegs klar ist außerdem, ob das der ukrainischen Armee überhaupt etwas bringt. Erinnert sei daran, dass die ersten Leopard-Panzer, in die der Westen ebenso große Hoffnungen gesetzt hatte wie zuvor in die Himars-Mehrfachraketenwerfen, mittlerweile als Wracks nach Russland gebracht werden, wo sie von Ingenieuren der Rüstungsindustrie analysiert werden. Und Wladimir Putin hat erst vor wenigen Tagen selbstbewusst gesagt, die F-16 würden in der Ukraine genauso brennen wie die Leoparden.

Die zweite Möglichkeit, um eine Niederlage in der Ukraine abzuwenden, wäre die nukleare Eskalation. Das ist keineswegs neu. 1980 bekundete Präsident Jimmy Carter auf Betreiben von Zbigniew Brzezinski die Bereitschaft, einen begrenzten Atomkrieg gegen die Sowjetunion zu führen. Unter Präsident Ronald Reagan war von nuklearem Erstschlag und einem Enthauptungsschlag gegen Moskau die Rede.

Zuletzt sind im Vorfeld des Nato-Luftmanövers „Air Defender 23“ US-Pläne für eine direkte Konfrontation mit Russland kolportiert worden. Nun hat allerdings die britische Times berichtet, die USA würden keinen Atomkrieg mit Russland beginnen, selbst wenn Putin Raketenangriffe auf Westeuropa anordne – weil man Angriffe auf US-Städte nicht riskieren wolle. Bei all diesen Meldungen ist natürlich möglich, dass es sich um gezielt gelegte, falsche Fährten handelt.

Die dritte Option für eine weitere Eskalation seitens der Nato wäre der Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine. US-amerikanische Soldaten einzusetzen ist riskant, denn das könnte in der US-Bevölkerung nicht gut ankommen – und vor allem wäre ihre Niederlage gegen Russland die ultimative Blamage für die Supermacht. Die serbische Online-Zeitung srbin.info berichtete allerdings am 16. Juni, dass Washington Polen und Litauen „grünes Licht“ für den Eintritt in den Krieg in der Ukraine geben könnte, sodass dieser nicht als Kriegskonflikt zwischen Russland und der Nato behandelt wird.

Warschau hat die Stärke seiner Armee bereits von 126.000 auf 300.000 erhöht. Im gesamten Streifen entlang der Grenze zur Ukraine schränkte es die Bewegungsfreiheit drei Monate lang ein und schloss einige Zonen vollständig, weil es die Infrastruktur für einen Einmarsch in die westlichen Regionen der Ukraine vorbereitete, die es möglicherweise annektieren will. Unter dem Vorwand der militärischen Unterstützung gegen „die Russen“ könnte die polnische Führung ihr Intermarum-Konzept vorantreiben – ein polnisch dominiertes Großreich zwischen Ostsee und Schwarzem Meer unter Beteiligung von Litauen, Rumänien und der Ukraine oder Teilen von ihr.

Mehr zum Thema:

Polnischer Plan: Bündnis mit Rumänien und der Ukraine

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