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Offener Nato-Krieg gegen Russland?
Ukraine

Offener Nato-Krieg gegen Russland?

Je ein US-Flugzeugträger befindet sich vor der Küste Norwegens und Japans. (Symbpolfoto)

Foto: Pexels/Jaxon Matthew Willis

Das US-Magazin Newsweek berichtet von geheimen Nato-Plänen für einen Krieg gegen Russland, die am Gipfel im Juli beschlossen werden sollen. Allerdings könnte bereits das Nato-Luftmanöver „Air Defender 23“ ab 12. Juni die Welt an den Rand eines Weltkrieges bringen.

Hunderte, wenn nicht tausende vor allem britische und US-Soldaten sind seit Jahren als „Berater“ für  die Kiewer Regierung tätig; mit immer mehr „Beratern“ hatte auch die US-Intervention in Vietnam begonnen. Tausende „ehemalige“ Nato-Soldaten, insbesondere Polen, sind seit Monaten als Söldner an wichtigen Stellen des ukrainischen Militärs tätig.

Nun hat Anders Rasmussen, ehemaliger Nato-Generalsekretär und aktuell Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der britischen Zeitung Guardian erklärt, dass bald eine „Koalition der Willigen“, vor allem aus Polen und baltischen Ländern bestehend, auch ganz offiziell Truppen in die Ukraine schicken werde, um gegen Russland vorzugehen (siehe auch: Ex-Nato-Generalsekretär: Einzelne Nato-Staaten planen Truppeneinsatz in Ukraine)

Newsweek über Nato-Kriegspläne

Das Nato-Bündnis hat sich stets als friedliebend inszeniert. Die Realität sah immer schon anders aus, wie die Menschen im Irak, in Serbien und Libyen leidvoll erfahren mussten. Das waren freilich alles kleine Länder mit sehr bescheidenen militärischen Möglichkeiten.

Im Mai berichtete nun aber das US-amerikanische Magazin Newsweek über geheime Pläne der Allianz für einen direkten Krieg gegen Russland:  https://www.newsweek.com/russia-ukraine-nato-alliance-war-1801199 Diese Pläne sollen auf dem nächsten Nato-Gipfel, der am 11. und 12. Juli in Litauen stattfinden wird, verabschiedet werden.

Das offizielle Gipfelprogramm beinhaltet Aspekte wie die Koordinierung der Streitkräfte des Bündnisses auf allen Kriegsschauplätzen, die Steigerung der Waffen- und Munitionsproduktion und die Bildung von Reserven für den Fall eines langfristigen Krieges. Laut Newsweek soll es aber darüber hinaus sehr konkrete Planungen für ein militärisches Vorgehen gegen Russland geben, dargelegt in tausenden Dokumentenseiten.

Diesmal richten sich die US-Pläne nicht gegen ein kleines wehrloses Land, sondern gegen eine Atommacht. Wenn Russland auf dem Schlachtfeld direkt konfrontiert werden soll, sind die Folgen für – insbesondere die europäische Bevölkerung – unabsehbar.

Der Hintergrund für diese Pläne ist offensichtlich: Die Ergebnisse der militärischen Aktivitäten der Nato in der Ukraine sind bisher schwach. Die in gigantischem Ausmaß gelieferten Rüstungsgüter wurden weitgehend zerstört. Die europäischen Depots wurden geleert. Die ukrainischen Truppen haben massive personelle Verluste erlitten. Russland hat einen Korridor zur Krim hergestellt und neue Regionen übernommen. Die ukrainische Ökonomie liegt am Boden, während Russlands Wirtschaft durch die Sanktionen kaum beschädigt wurde.

Für die Hardliner in der US-Regierung, die neokonservativen fanatischen Kriegstreiber, sind diese Ergebnisse desaströs. Unzählige Milliarden an Steuergeldern in die Ukraine gepumpt – und dann eine Niederlage? Für die Jake Sullivans, Antony Blinkens und Victoria Nulands gibt es nur zwei Möglichkeiten: die Niederlage bekennen oder weiter eskalieren. Genau darin besteht aktuell die Gefahr.

Eskalation durch Nato-Luftmanöver?

Das Timing der lange angekündigten und seit 4. Juni anlaufenden ukrainischen Großoffensive passt nur zu gut zum Luftmanöver der Nato, das am 12. Juni starten wird. „Air Defender 23“ ist die größte Militärübung, die jemals in der Luft Europas durchgeführt wurde. Bis zu 10.000 Soldaten mit etwa 220 Flugzeugen und 23 Flugzeugtypen werden daran teilnehmen. Zu den 25 teilnehmenden Ländern gehören Belgien, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Japan, Lettland, Litauen, Luxemburg, Norwegen, Polen, Rumänien, Slowakei, Spanien, Schweden, die Türkei, Großbritannien und natürlich die USA.

Analysten befürchten nun, dass das Pentagon auf eine direkte Konfrontation mit Russland abzielt. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Nato-Manöver zur Abdeckung eines echten Angriffs benutzt würde. Man erinnert sich an die Enthüllung des investigativen Journalisten Seymour Hersh, dass die Übung „BaltOps-2022“ als Vorwand für die Platzierung von Sprengstoffen auf den Gaspipelines Nord Stream 2 diente.

Und nun wird die Nato ihre größte Luftangriffsübung direkt neben der Konfliktzone zwischen der Ukraine und Russland durchführen. Das ist sicherlich eine gigantische Drohkulisse angesichts der ukrainischen Bodenoffensive – aber möglicherweise auch mehr.

Die gigantische Nato-Unterstützung für die Ukraine hat bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die einzige Chance für die Nato, ihr Gesicht zu wahren, nachdem ihre gesamte Hilfe für die Ukraine gescheitert ist, besteht darin, dass die Nato direkt in den Konflikt einsteigt. Da die Nato von Russland nicht angegriffen wurde, müsste man einen Vorfall schaffen, den man als Rechtfertigung für eine direkte Beteiligung verwenden kann.

Die serbische Internetzeitung srbin.info berichtete am 1. Juni, dass sie Dokumente zugesandt bekommen habe, die Pläne der Nato für einen passenden „Zwischenfall“ beinhalten. Drei Szenarien werden darin genannt:

Drei Szenarien

In Szenario A erteilt die Ukraine der Nato die Erlaubnis, in ihren Luftraum einzudringen, um im ganzen Land eine Flugverbotszone einzurichten. Russland hat bereits davor gewarnt, dass es solche ausländischen Flugzeuge angreifen und zerstören werde – was einen offenen Krieg der Atommächte bedeuten würde.

In Szenario B greifen „ukrainische“ F16 in die Kämpfe mit Russland ein. Da es aber keine qualifizierten ukrainischen Piloten gibt, werden die Flugzeuge von britischen und amerikanischen Piloten geflogen. Abgeschossene F16 würden beweisen, dass es sich um Briten und Amerikaner handelte. Russland gibt bekannt, dass es von den USA und Großbritannien angegriffen wurde, und erklärt ihnen den Krieg.

Szenario C ist eine Mischung aus A und B: Die Nato errichtet eine Flugverbotszone in der Ukraine. „Ukrainische“ F16 dringen in Russland ein. Nato-Flugzeuge warnen die ankommenden russischen Verteidiger, dass sie die ukrainischen Flugzeuge nicht angreifen können, da sie sonst von etwa 200 Nato-Flugzeugen attackiert werden.

Srbin.info berichtet zusätzlich, dass sich der Flugzeugträger USS Gerald R. Ford, das größte Kriegsschiff der Welt mit mehr als 90 Kampfflugzeugen, Ende Mai in norwegischen Gewässern bewegte. Seine Jagdgeschwader könnten in den Nordwesten Russlands eindringen, um Angriffe zu starten. Außerdem könnten vom US-Flugzeugträger in der Nähe Japans Angriffe auf den Fernen Osten Russlands durchgeführt werden.

Nach den Dokumenten von srbin.info wird davon ausgegangen, dass diese massive Angriffsserie die konventionellen Streitkräfte Russlands sofort überwältigen und Russland zu einer Kapitulation zwingen würde. Das ist aber äußerst fraglich. Die russische Führung hat immer gesagt, dass sie Atomwaffen nur in zwei Fällen einsetzen würde: erstens wenn Russland selbst nuklear angegriffen wird und zweitens wenn die Existenz Russlands bedroht wird.

Angesichts der Pläne der US-Führung, den russischen Staat in mehrere Teile zu zerschlagen, würden Wladimir Putin & Co. bei einem massiven Nato-Angriff vermutlich den zweiten Punkt für zutreffend halten. Und logisch wären dann nicht kleine taktische Atomwaffen auf dem Schlachtfeld, sondern strategische Starts gegen westliche Entscheidungszentren.

Bewertung

Dass Nato-Pläne für eine Eskalation existieren, muss noch nicht bedeuten, dass sie auch umgesetzt werden. Es sei darauf verwiesen, dass es während des Kalten Krieges immer wieder US-Pläne für präventive Atomschläge gegen sowjetische Großstädte gab. Sie wurden glücklicherweise nicht realisiert.

Dennoch könnte das Nato-Großmanöver die Welt an den Rand eines Weltkrieges bringen. Und es kann auch kaum ein Zweifel daran bestehen, dass die ideologisch motivierten Neocons in der US-Regierung, die selbst meist familiäre Wurzeln in Osteuropa und offenbar eine persönliche antirussische Agenda haben, aus der vermeintlich sicheren Distanz jenseits des Atlantiks zu einem Pokerspiel um die Zukunft der Menschheit bereit sind.

Es gibt aber auch Faktoren, die gegen eine Eskalation sprechen. Wenn es Russland gelingt, die ukrainische Offensive bereits im Ansatz zu ersticken und einen Großteil der Lager mit Nato-Waffen in der Ukraine zu vernichten, dann wären auch Nato-Luftangriffe für den Kampf um die Ukraine zumindest militärisch sinnlos. Das schließt freilich nicht aus, dass die Neocons trotzdem auf eine direkte Konfrontation mit Russland drängen.

Was die europäischen Führungen betrifft, so könnte man darauf hoffen, dass sie keinen Atomkrieg mit Russland riskieren wollen – sie könnten sich wohl selbst über den Atlantik „in Sicherheit“ bringen, aber wohl nicht all ihre Verwandten und Freunde. Nun gibt es insbesondere bei den Grünen, aber auch bei den anderen Blockparteien sicherlich viele ideologisierte transatlantische Extremisten, die den Neocons bis in den Untergang folgen würden. Aber das wird nicht für alle Politiker und Militärs zutreffen, manche werden einen Rest von Empathie für die eigene Bevölkerung haben. Und es ist davon auszugehen, dass die russische Führung in diesen Tagen den europäischen Regierungen den Ernst der Lage ausbuchstabiert hat.

Ein positives Signal könnte auch sein, dass Nato-Medien wie der Spiegel oder die Washington Post zuletzt verbreitet haben, dass die Ukraine Nord Stream gesprengt habe. Dass man nun Kiew beschuldigt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass nun das Papier der Rand-Corporation umgesetzt wird, das einen der US-Regierung einen Ausstieg aus dem Ukraine-Abenteuer empfohlen hat. Und Rand hat immerhin in den letzten Jahrzehnten sehr oft die Linie die US-Außenpolitik vorgegeben.

In dem Papier kam die Rand-Corporation, wie Thomas Röper zusammenfasst, „zu folgenden Schlussfolgerungen: Erstens konnte Russland durch die Wirtschaftssanktionen nicht besiegt werden, zweitens waren die Folgen der Sanktionen und der Unterstützung Kiews für den Westen viel teurer als erwartet und drittens haben die USA, nachdem Russland wirtschaftlich und militärisch nicht geschlagen werden konnte, in dem Ukraine-Konflikt nichts mehr zu gewinnen, was die hohen Kosten der USA rechtfertigen würde. In dem Papier wurde ausdrücklich gesagt, dass es für die Interessen der USA egal ist, ob Russland ukrainische Gebiete übernimmt oder nicht. Wo die Grenzen zwischen der Ukraine und Russland verlaufen, sei für die USA unwichtig und der Kampf für die Rückgewinnung der ukrainischen Gebiete sei die Kosten, die die US-Unterstützung der Ukraine verursacht, nicht wert.“

Es gibt also auch in den US-Eliten rationale Akteure. Dennoch bleibt die Gefahr bestehen, dass im Zuge des Nato-Luftmanövers britische oder US-Extremisten einen Zwischenfall provozieren. Und ein solcher Zwischenfall kann eine gefährliche Dynamik auslösen. Der Beginn des Ersten Weltkrieges kann hier als Warnung dienen.

Eric Angerer ist Historiker, Journalist und Sportlehrer. Er unterstützte lange Zeit betriebliche Selbstorganisation von Beschäftigten in Industrie und Gesundheitswesen und war zuletzt im Widerstand gegen das Corona-Regime aktiv.

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